Leise brummt der Luftreiniger, während die Therapeutin ihre Patient:innen durch die Übungen leitet. Die Rehaklinik Pirawarth setzt seit Beginn der Corona-Pandemie auf Lufthygiene. Der Einsatz hat sich gelohnt: „Wir haben keine konkreten Zahlen dazu, aber eines steht fest: Wir hatten die ganzen drei Jahre hindurch nie einen Corona-Cluster bei uns in der Reha-Klinik. Angesteckt haben sich die Leute also nicht bei uns im Haus“, berichtet Jeanette Himberger aus der Leitstelle des Hauses.

Als medizinische Einrichtung wollte die Klinik besonders hohe Standards in Sachen Lufthygiene erfüllen. Aber auch immer mehr Unternehmen setzen auf Luftreiniger (nicht zur verwechseln mit Luftbefeuchtern). So berichtet etwa der inzwischen pensionierte Geschäftsführer der unter anderem in der Medizintechnik tätigen Wild Gruppe, Josef Hackl, was die Installation von Luftfiltern im Jahr 2020 gebracht hat: „Wir hatten keine einzige direkte Corona-Übertragung im Haus.“ Luftreiniger schützen aber nicht nur vor Corona, sondern vor jeglicher Art von Viren, Bakterien, sonstigen Keimen und Pilzen. Und Hepa-Filter wirken auch gegen diverse Allergene in der Luft wie etwa Pollen. 

Filtern, messen, lüften 

Gute Erfahrungen hat man auch in Traiskirchen gemacht, wo der aktuelle SPÖ-Chef Andreas Babler als Bürgermeister im Jänner 2021 die Schulen, Kindergärten und Kinderkrippen mit Luftreinigern ausstatten hat lassen. Schon im Herbst davor wurden CO₂-Messgeräte angeschafft. Diese zeigen an, wie verbraucht die Luft im Raum ist und wann es Zeit zum Lüften ist. Denn Luftfilter sind nur die halbe Miete: Es braucht auch Frischluft von draußen. Umgekehrt erreicht man in vielen Räumen mit Lüften allein nicht die notwendigen niedrigen Werte, für die ein Luftreiniger als Ergänzung sorgt. Wie wichtig saubere Luft ist, betont Eva Hottenroth von der parteipolitisch unabhängigen Initiative Gesundes Österreich (IGÖ): „Sie bedeutet nicht nur weniger Keime, sondern auch eine bessere Gehirnleistung und mehr Produktivität.“

„Trinken Sie Wasser, das schon jemand anderer im Mund hatte?“ 

Dazu gibt es laut IGÖ bereits handfeste Studienergebnisse: Aufgaben werden um zwölf Prozent schneller bearbeitet, die Fehlerquote sinkt um zwei Prozent, und Schularbeiten fallen um fünf Prozent besser aus, wenn die CO₂-Konzentration im Klassenraum 900 ppm (parts per million – Teile pro Million Teile) statt 2.100 ppm beträgt. Wem diese Zahlen zu abstrakt sind, hilft vielleicht folgende Einordnung: Die Außenluft hat einen durchschnittlichen Wert von 420 ppm (vor der Klimakrise waren es 280 ppm); ideal wären in Innenräumen unter 800 ppm, denn ab 1.000 ppm wird – rein rechnerisch – bei jedem zwölften Atemzug Luft eingeatmet, die schon jemand anderer in der Lunge hatte. „Trinken Sie Wasser aus einem Glas, das schon jemand anderer im Mund hatte und wieder ausgespuckt hat?“, fragte Hottenroths Mitstreiter Hannes Fleischer jüngst plakativ bei einer Pressekonferenz der IGÖ. 

3,5 Milliarden Euro Schaden durch Infektionskrankheiten 

Nicht nur in Schulen, sondern auch in Betrieben würde sich die Investition in mehr CO₂-Sensoren und Luftreiniger lohnen, ist Thomas Czypionka überzeugt. Laut dem Ökonomen am Institut für Höhere Studien entgehen der österreichischen Wirtschaft jedes Jahr geschätzte 3,5 Milliarden Euro durch Krankenstände aufgrund von Infektionskrankheiten. Diese könnten durch saubere Luft reduziert werden. Laut einer Schweizer Studie kann die Ansteckungsrate durch richtige Belüftung um bis zu 60 Prozent reduziert werden.

SPÖ-Chef Babler, der auch einer von 26 „Luftbotschaftern“ der IGÖ ist, hat kurz vor Weihnachten von der türkis-grünen Bundesregierung die bundesweite Einführung von CO₂-Messgeräten und Luftreinigern in allen Bildungseinrichtungen gefordert, wie sie etwa Frankreich bereits umgesetzt hat. Allerdings ziehen selbst die eigenen Genossen nicht mit. In der rot-pink regierten Stadt Wien etwa wird sogar das Aufstellen privater Luftfilter in Schulen verhindert, wie empörte Eltern der WZ berichten. Manche Skeptiker führen als Argument an, dass die Luft dann zu rein sein könnte. „Blödsinn“, sagt dazu Hottenroth, „so saubere Luft bekommt man damit gar nicht hin.“ 

Gekipptes Fenster mit Vorhang statt Stoßlüften 

Wie man richtig lüftet, weiß Hannes Grünbichler von der HTL Weiz: Am besten schneiden automatische Lüftungsanlagen ab, die allerdings teuer sind. Stoßlüften empfiehlt er nur für Privaträume. „In stärker belegten Büros oder in Klassenzimmern ist die Luft relativ rasch verbraucht, und man müsste eigentlich jede Viertelstunde stoßlüften, um den Richtwert von 1.000 ppm nicht zu überschreiten.“ Er berichtet von Klassen, in denen sogar 5.000 ppm gemessen wurden (also mehr als jeder zweite Atemzug aus fremdem Mund). 

Das Problem beim Stoßlüften: In kurzer Zeit wird viel Luft ausgewechselt. „Damit sinkt die Raumtemperatur rasch, was gemeinsam mit dem Luftzug als sehr unangenehm empfunden wird. Und die Behaglichkeit ist ja ein wichtiger Faktor beim Lüften.“ Besser ist es deshalb, die Fenster permanent gekippt zu lassen; so kann die Luft gut zirkulieren. Durch die Bewegung der Menschen im Raum und die abgegebene Körperwärme bleibt die Temperatur konstant gleich. Ein Vorhang vor dem Fenster leitet die einströmende frische Luft nach unten zum Boden hin ab. „Das ist energieeffizienter als das Stoßlüften, die Heizkosten sind sogar geringer“, sagt Grünbichler. „Und man muss nicht dauernd daran denken.“ Ist der Raum leer, muss das Fenster freilich geschlossen werden, damit er nicht auskühlt. 

Fehlzeiten gingen um 30 Prozent zurück 

Grünbichler wendet die Kipplüftung in seinen Schulklassen erfolgreich an. Zur Wirksamkeit von Lufthygiene verweist er auf eine Studie aus Finnland. Dort sind in den Kindergärten und Volksschulen die Fehlzeiten bei besserer Belüftung um 30 Prozent zurückgegangen. „Wenn man bedenkt, dass Kinder in diesem Alter oft nur dann daheim gelassen werden, wenn sie richtig krank sind, dann ist das eine starke Untermauerung.“

In der Klinik Pirawarth beendet die Therapeutin die Einheit, die letzte des heutigen Tages. Nachdem die letzte Patientin den Raum verlassen hat, schließt sie das gekippte Fenster, eine Stunde später wird sich der Luftreiniger abschalten. Erst vor der ersten Einheit am nächsten Morgen wird er wieder laufen. Das senkt die Kosten und schont das Gerät. Damit die Patient:innen in der Rehaklinik noch länger saubere Luft haben.

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